Heute besuchen wir das Bezirksmuseum in der Penzingerstraße 59. Seit 1963 beheimatet das Gebäude - 1873 errichtet - dieses schöne Museum. Bis 1978 befanden sich in dem historischen Haus verschiedene Magistratsdienststellen.
Ein ganz besonderes „Highlight“ in einem der mittlerweile 20 Ausstellungsräume ist die eingebaute „Greißlerei“, welche vor dem Abriss bewahrt und originalgetreu im Museum eingebaut wurde. Auf dieses schöne Plätzchen werde ich später näher eingehen. Zunächst möchte ich sie nun „virtuell“ durch das Museum führen, ganz nach dem Motto: „Alle aufgepasst, die Zeitreise beginnt!“
Unsere Besichtigungstour startet im ersten Stock. In den ersten drei Räumen befinden sich regelmäßig neue Ausstellungen, zurzeit werden die Themen „Kino, Theater und Kleinkunst in Penzing“ sowie „Siedlungsgeschichte der Region, Wolfersberg/ Bierhäuslberg bis 1938“ behandelt, welche bis Ende Juni 2021 zu sehen sind. Durch den ehemaligen Festsaal geht es zu den Dauerausstellungen, wo Objekte der einzelnen Bezirksteile liebevoll positioniert sind.
Wir tauchen in die längst vergessene Welt unserer Eltern und Großeltern ein. Können sie sich noch an Ihre Schulzeit erinnern? Saßen sie noch auf Holzbänken, vor Holztischen oder bereits in einem modernen Klassenraum? Für mich ist die alte Schulausstattung unvorstellbar. Ich kenne dies nur aus den Erzählungen meiner Großeltern. Hier im Museum, kann ich mir ein Bild machen, wie die Schüler und Schülerinnen, bis vor einigen Jahrzehnten unterrichtet wurden. Ein interessantes Detail ist auch die kleine Ausbuchtung an den oberen Ecken des Tisches, welches für das kleine Tintenfässchen gedacht war, damit dieses nicht versehentlich umgestoßen wird. Im Raum hängen noch auf der Kleiderablage einige sogenannte „Schulranzen“ (Schultaschen) und die geheimnisvollen „Botanisiertrommel“; in diesen blechernen Behältern sammelten die Kinder ihre gesammelten Blüten, Blätter oder Käfer, wie mir mein Forscherkollege Marcello La Speranza, mit dem ich schon seit einigen Jahren spannende Orte erkunde, erzählt.
Wir gehen weiter und stehen vor einer Küche, welche aus den 1930er Jahre stammt und original eingerichtet ist. Dieser Anblick begeistert mich, es fühlt sich tatsächlich sehr real und authentisch an. Der Herd wirkt sehr vorsintflutlich. Der weiß gestrichene Küchentisch, die Sessel und das „Lavour“ (die Waschschüssel) wirken irgendwie seltsam; meine Oma würde mir hier sicherlich viel erzählen, wäre sie hier. Die mit weisen Sprüchen gestrickten aufgehängten Tücher sind typische für die damalige Zeit. So stand beispielsweise auf einem Tuch der Spruch „Mein größtes Glück ist mein Fraule, meine größte Freud Häuslichkeit“
Weiter geht es durch einen großen Torbogen in die „Geschäftsstraße“. Hier reihen sich mehrere Geschäfte aneinander. In großen Schaukästen bzw. Kammern werden die verschiedenen Geschäfte nachgestellt, mit allen charakteristischen Produkten, die sie anboten. Oberhalb sind die Namen der Geschäfte sowie einige der typischen Zunftzeichen der Läden angebracht. Wir finden einen Schuster, einen Optiker, ein Friseur ein Fotogeschäft, ein Spielwarengeschäft, eine „Milchdepot“ sowie einen Stoffhändler. Marcello gefallen die vergilbten Porträt-Aufnahmen, die in den damaligen Salonateliers entstanden sind.
Wussten sie eigentlich, welchen Zweck die Zunftzeichen früher hatten? Zum einen waren die Zeichen natürlich Werbung und dienten weiters zur Orientierung für die Bevölkerungsgruppen, welche nicht lesen konnte bzw. der deutschen Sprache nicht mächtig waren. Durch die Zunftzeichen wusste jedermann und jedefrau, sogleich um welches Geschäft es sich handelt, und welche Waren hier angeboten werden.
Wir gehen an einem Schaufenster eines Spielwarengeschäftes vorbei und entdecken viel altes Holz- und Blech-Spielzeug. Heutzutage sind diese Spielzeuge „altmodisch“ und werden kaum mehr von Kindern zum Spielen genutzt. Bis vor ein paar Jahrzehnten war dies freilich anders, da erfreuten sich diese Spielsachen größter Beliebtheit; waren etwas ganz Besonderes und vorallem sehr hochwertig.
Mein Blick bleibt an einem Schaufenster eines Stoffhändlers hängen. Im Inneren türmen sich nicht nur verschiedene Stoffe sondern auch jedemenge Knöpfe und diverse Fingerhüte, welche man zuhause für Textilarbeiten benötigt hat. Man hat doch damals nicht gleich beschädigtes Gewand weggeworfen, sondern geflickt.
Wir verlassen die Geschäftsstraße und stehen vor der anfänglich bereits erwähnten „Greißlerei“, welche das Herzstück des Museum ist. Wir betreten das wieder eingerichtete „Kaufhaus“ und werden von einem intensiven Gemisch aus Holz-Kerzen- Öl-Geruch empfangen. Ein Duft, welcher für viele sicherlich einige Kindheitserinnerungen wieder aufleben lässt und die volle Portion Nostalgie bietet. Heutzutage ist es kaum mehr vorstellbar, dass vor einigen Jahrzehnten sehr viele Haushalte - vorallem in ländlichen Regionen - keinen elektrischen Strom hatten und mit Petroleum-Lampen die Wohnung erhellten. Das Petroleum wurde in Fässern gelagert und auch in Gemischtwarenhandlungen an die Bevölkerung ausgegeben. Ein solches Fass steht im Eingangsbereich unseres „Greißlers“ und erklärt den intensiven Geruch.
Überall in den Regalen lagern Lebensmittel und jegliche Art von damals verwendeten Haushaltsartikeln. Es ist, als wenn wir in die 1970er Jahre oder noch weiter zurück gereist sind. Die vielen Details im Inneren begeistern mich. Oberhalb des Ladentisches stapeln sich Schuhe, Teppichklopfer, Kuchenformen und etliche andere Waren. Interessant sind auch die kleinen Kästchen-Laden, in denen verschiedenste Kräuter und Gewürze aufbewahrt wurden. Damals wurde die benötigte Menge abgewogen und meistens in die von den Kunden mitgebrachten Dosen und Gläser gefüllt. Diese Variante war also sehr umweltfreundlich. (Heutzutage kommt dieser nachhaltige Trend wieder in Mode; es eröffnen immer mehr "Zero Waste Shops" in Wien.) Damals gab es noch keine großen Supermarkt-Ketten. An den Wänden hängen alte schöne emaillierte Werbeschilder, wie „Maggi“, Schwechater Bier“, etc.
Wir verlassen voller Nostalgie-Gefühle die Ausstellungsäume und begeben uns in den zweiten Stock. Hier faszinieren die vielen Nachbauten von früheren Werkstätten, welche alle mit dem Original-Equipment im Museum 1:1 eingebaut wurde. Wir erhaschen Einblicke in das Handwerk eines Handschuhmachers. Diese Berufsgruppe ist heutzutage fast ausgestorben. Somit ist es umso schöner, dass hier das komplette Inventar ausgestellt ist. Zu sehen sind unter anderem Vorlagen in diversen Größen, verschiedenste Stoffe und natürlich eines der wichtigsten Werkzeuge eines jeden Handschuhmacher/Handschuhmacherin: Die Nähmaschine!
Eine Erklärtafel zeigt die schrittweise Entstehung eines Handschuh.
Im nächsten Raum befindet sich die Werkstatt des Klavierfabrikanten „Stelzhammer.“ Bis in die 1970er Jahre befand sich auf der Linzerstraße 26 das Geschäft und später auch die Werkstatt der Musikinstrumente bzw. der Klaviermacherdynastie. 1972 wurde das Haus abgerissen, um für einen Neubau Platz zu schaffen. Hugo Stelzhammer Jun. stiftete das komplette Inventar dem Bezirksmuseum, wo es bestens aufgehoben ist.
Es gibt freilich noch sehr viele weitere interessante Exponate in diesem reichlich ausgestatteten Museum. Jedoch, um über alles hier zu berichten reicht der Platz in diesem Blogbeitrag leider nicht. Dafür müsste ich ein Buch verfassen. Abschließend lässt sich festhalten, dass diese Reise in die Zeit meiner Großeltern und Eltern sehr aufregend und wissenswert war. Ich kann jedem einen Besuch und somit auch eine „Reise in die Vergangenheit“ empfehlen.
Das Museum hat jeden Mittwoch von 17-19 Uhr sowie jeden Sonntag von 10-12 Uhr geöffnet-An Feiertagen und in den Schulferien bleibt das Museum geschlossen.
Text und Fotos: Lukas Arnold