Luftschutz netz "INNERE STADT"


Postgasse 7 (1997)

Von der einstigen Polizeistation ist heute nichts mehr vorhanden. Ebenso haben sich die dortigen Keller, die während des Krieges luftschutzmäßig ausgebaut worden waren, verändert. Vor ein paar Jahren konnte ich beim Abstieg in die dortigen Gewölbe noch eine Reihe von Spuren aus der Vergangenheit beobachten. Dass der Keller auch gegen Kampfstoffe gesichert war, bestätigt die charakteristische Aufschrift im Bereich der Gasschleuse. Der Hinweis "Nicht stehen bleiben!" forderte die Luftschutzsuchenden auf, diese damals zu verschließenden Schleuse rasch zu passieren. (Marcello La Speranza)



Postgasse 8-10

Unter dem ehemaligen großen Postgebäude (Postgasse 8 - 10) befanden sich während unserer letzten Besichtigung im Jahre 2019 zahlreiche Hinweise, dass die Keller luftschutzmäßig gut gesichert waren. Zahlreiche Ordnungs- und Hinweisaufschriften geben Beispiel, wie das Überleben im Untergrund organisiert war. Hier möchten wir einige der interessanten Markierungen auflisten: "Trinkwasser", "Zu den Frauen Aborten", "Durchgang zur Dominikanerbastei", "Zu den Schutzräumen", "Mauerdurchbruch", etc. Von einigen Aufschriften sind nur mehr Fragmente zu sehen, wie etwa „(Befe)hlstelle“. In diesem großen Luftschutzbereich sind auch noch mehrere der typischen Luftschutztüren anzutreffen. Diese wurden, wie soviele andere Bunkertüren, von der Wiener Firma „Viktor Otte & Co.“ fabriziert.

Zeitzeugen, welche die Luftangriffe auf Wien in diesem Keller erlebten, sind nicht mehr viele anzutreffen. Vor zwanzig Jahren (2001) berichtete die während des Krieges in der Postdirektion beschäftigte Anna Foitl (geb. 1922) in einem Brief ihre Erlebnisse: „… der gesamte Gebäudekomplex war unterkellert, und darunter befanden sich noch die Katakomben. Aus Angst, bei einer Verschüttung nicht mehr geborgen zu werden, trauten wir uns (Anm. die Angestellten) nicht so tief hinunter. … Ich saß im Keller immer direkt unter den Fenstern, an der Seite zur Postgasse. Als wir die Flieger über uns brummen hörten, stand ich einer Eingebung zufolge auf und rannte im Keller in Richtung Barbaragasse. Schon hört man das Einschlagen der Bomben, und am Platz wo ich mich gerade noch befunden hatte schlug die Bombe ein. Das Licht ging aus. Eine Staubwolke verbreitete sich und raubte uns den Atem. Im Finstern klammerte sich eine Kollegin an mich und schrie. Nach Minuten, in denen wir nicht wussten, ob wir verschüttet waren oder ob es im Nebenkeller Verschüttete gab, ging das Licht wieder an. …“ (Siehe: Marcello La Speranza: Bomben auf Wien, Zeitzeugen berichten, Ibera Verlag, Wien 2003)

2019 erfolgte ein Umbau des gesamten Gebäudekomplexes und es ist zu befürchten, dass der Bestand der "neueren Geschichte" dabei auch verloren geht. Wir haben versucht sämtliche Spuren zumindest dokumentarisch aufzunehmen und haben Fotos von den vielen Wandaufschriften gemacht. Inzwischen wurden schon Teile der Keller zu einer Tiefgarage umgebaut. Zuvor konnten aber auch ein Archäologen-Team während der laufenden Umbauarbeiten Artefakte aus der Kelten-, Römerzeit und dem Mittelalter bergen, die zur Zeit (Sommer 2021) in einer Sonderausstellung im Römermuseum, Hoher Markt 3 zu besichtigen sind.

https://magazin.wienmuseum.at/archaeologische-grabungen...

Gezeigt werden auch Funde aus dem 17. Jahrhundert, als auf diesem Ort von den Jesuiten das Barbarastift errichtet worden war. Im 19. Jahrhundert wurde über diesem Komplex die k. u. k. Hauptpostdirektion gesetzt.

Text: Marcello La Speranza

Fotos: Lukas Arnold Photography



Notizen in den Verbindungs-gängen

Unter den Straßen und Gassen der Innenstadt wurden während des Zweiten Weltkrieges gemauerte und teilweise ausbetonierte Stollen angelegt, welche die Keller benachbarter Häuser untereinander verbunden hatten. Sollte der Luftschutzkeller und die üblichen Notausstiege

- so auch die Mauerdurchbrüche eines Hauses - durch Bombentreffer verschüttet sein, konnten sich luftschutzsuchende Personen durch diese weitreichenden Stollen eine weitere Option eines Ausganges verschaffen. Die Stollen wurden aber auch angelegt, um „Melder“ durch das unterirdische Labyrinth zu schicken, um Informationen weiterzuleiten.

 

Heute sind die Stollen, sofern sie nicht komplett verfüllt sind, am anderen Ende abgemauert. Bei den Untersuchungen dieser Verbindungsgänge sind noch Reste der Lichtleitungen, Holzdübeln, zu entdecken. An einigen Ziegel sind hand-schriftlich die Jahreszahl „1944“ zu lesen. Oft sind auch Graffiti, aufgezeichnete Gesichter und Kritzelein, zu entdecken. Ebenso sind verblassende Notizen im Ziegelverband verblieben, die vielfach eindeutig in italienischer Sprache verfasst sind. Diese geben Hinweis, dass die Stollen von italienischen Zwangsarbeitern gebaut wurden. Zu lesen sind Namen, aber auch schwer zu entziffernde Schmäh- und Unmutsäußerungen, welche die Arbeiter im Verborgenen hinterlassen haben. Hier eine kleine Sammlung dieser historischen Zeugnisse.

(Marcello La Speranza)