Faszinierende Mosaikwelten Teil 2

Faszinierende Mosaikwelten - Teil 2

 

Heute nehmen wir euch wieder auf eine Entdeckungstour mit, und möchten euch weitere oberirdisch sichtbare Feinheiten unserer Stadt vorstellen. Werfen wir einen Blick auf die vielfältigen Mosaike, Sgraffiti, Reliefe und Wandmalereien, welche so manche Wohnbauten, vor allem jene aus den 1950er Jahren, schmücken.

In unserer Wanderserie zu illustren Bildwerken (Teil 1), stellen wir euch nun weitere Juwelen vor:

Beginnen wir unsere Runde im ersten Bezirk. Wir befinden uns auf der Rotenturmstraße 23 / Ecke Fleischmarkt und blicken zu dem bunten Mosaik empor, an dem viele Passanten wahrscheinlich schon vorbei gegangen sind, ohne es beachtet zu haben? Der dargestellte kompakte Turm mit seinem schachbrettartigen Muster und dem Ziegeldach sticht ins Auge. Gemeinsam mit dem markanten Tor, bildete er einen Teil der alten mittelalterlichen Stadtbefestigung. Er wurde im Lauf seiner Vergangenheit öfters umgebaut. So wurde er durch König Maximilian I. ab 1490 renoviert, nach dem Tod des Ungarnkönigs Matthias Corvinus, der  zuvor mehrmals Wien belagerte und die Stadt 1485 erobert hatte. Bei einer Erweiterung der Stadtmauer durch Leopold I. wurde 1658 ein neuer „Roter Turm“ samt Durchgang in der Höhe des heutigen Schwedenplatzes gebaut. Durch dieses Tor erfolgten immer wieder prunkvolle Einzüge der von Krönungen oder Kriegen heimgekehrten Herrscher.

Bekannterweise wurde durch dieses Tor die gegossene gewaltige Pummerin 1711 gezogen, die zur Stephanskirche gebracht wurde. Das alte Tor wurde im Jahr 1776 unter Maria Theresia und ihrem Sohn Joseph II. abgebrochen; der „Rote Turm“ war hingegen schon früher niedergerissen worden. Er verliert sich aus der Geschichte.

In alten Chroniken wird berichtet, dass die Rotenturmstraße, die nach dem verschwundenen Turm ihren Namen hat, noch lange nicht als solche existiert hatte. Einzelne Abschnitte trugen einen anderen Namen; erst seit dem Jahre 1862 wurde dieser Straßenzug als Erinnerung an den ehemaligen „Roten Turm“ benannt. 

Nebenbei erwähnt: In dem bekannten Kinderbuch „Das doppelte Lottchen“ von Erich Kästner wird die Rotenturmstraße auch kurz erwähnt. Wien mit seinen speziellen Plätze, Gassen und Straßen werden natürlich ziemlich oft in allen Bereichen der Literatur und auch in diversen Romanen beschrieben. Wenn man beim Lesen eines Buches über einen konkreten Straßennamen stolpert, freut es einem. Wenn man dann jedoch bei einem Spaziergang auf eine Abbildung eines historischen Gebäudes trifft, wie hier auf das Mosaik des längst verwehten „Roten Turms“, dann freut es einem umsomehr.

Wir ziehen weiter, und zwar nach Favoriten, und machen Halt bei einem Gemeindebau, wo uns eine „Märchenstunde“ erwartet. Einst war die in den Jahren 1929 bis 1933 errichtete Anlage mit dem Namen „Rasenstadt“ ein idyllisches Ensemble. Die zusammenhängenden, zierlichen Wohnblöcke zwischen Raxstraße, August-Forst-Gasse, Sahulkastraße und Neilreichgasse wirken heute etwas vernachlässigt. An der gräulich-beigen Fassade nagte der Zahn der Zeit. Umrundet man den zusammenhängenden Komplex, dann fallen die an den Häusern angebrachten Terrakotta-Reliefs auf, die Märchenmotive darstellen.

Insgesamt sind es 16 Bildchen in quadratischen Rahmen. Acht bestehen aus braungebrannten Kacheln, die anderen sind bunt ausgeführt. Lieblich wirkt die Szenerie von Aschenbrödel oder Schneewittchen, grässlich der Blick von Rübezahl und gruselig die hagere Gestalt der Hexe von Hänsel und Grete. Die 1939/40 angebrachten Märchenbilder wurden ganz im Stil der deutschen Volksbildung ausgeführt. Die dargestellten Märchen sind:

Hans im Glück;

2) Aschenbrödel;

3) Das tapfere Schneiderlein;

4) Der gestiefelte Kater;

5) Rotkäppchen;

6) Der Rattenfänger von Hameln;

 

7) Rübezahl;

8) Die Gänsemagd;

9) Schneewittchen;

10) Zwerg Nase;

11) Die sieben Schwaben;

12) Hänsel und Grete;

13) Dornröschen;

14) Tischlein deck dich;

15) König Drosselbart; und

16) Frau Holle.

Unser nächster Stopp befindet sich in Simmering, wo wir den ersten Elefanten auf Wiener Boden besuchen. Nicht nur bestimmte Orte wurden im Lauf der Zeit zu illustren Plätzen, sondern auch bestimmte Ereignisse zogen in Scharren die Menschen an. Wo es etwas Ungewöhnliches zu sehen gibt,  kommen Besucher und zeigen sich interessiert an den Sensationen die dort angeboten werden.  Sei es ein Ballonaufstieg, ein Feuerwerk oder etwa gar eine öffentliche Hinrichtung, es kommt auf die Vermarktung an. Wurden in der Vergangenheit exotische Tiere von weit entfernten Kontinenten vorgestellt, dann war das auch etwas Besonderes. Und als vor etwa 450 Jahren ein lebender Elefant in Wien präsentiert wurde, war das Wiener Volk auf den Beinen um diese seltene Gelegenheit zu sehen. Auf einem Mosaik in Simmering erinnert ein Mosaik an diese Sensation.

Es zeigt einen etwas dicklichen Elefanten, mit den Namen „Soliman“. Auch die Geschichte rund um dieses Tier ist spannend. Der erste Tierpark in Wien war nicht jener im Schlosspark Schönbrunn, sondern die Menagerie des heutigen „Schlosses  Kaiserebersdorf“, damals noch ein Vorort von Wien mit dem Namen „Ebersdorf“.  Dort wurden bereits im 16. Jahrhundert Löwen, Bären und sogar einen Elefanten gehalten. Es handelte sich jedoch nicht um einen klassischen Tierpark, wie wir ihn heute kennen, sondern eher um kleine Zwinger, in denen die Tiere gehalten wurden.

Der Dickhäuter namens „Soliman“ war der erste Elefant auf Wiens Boden und der damalige Star beim Einzug am 7. Mai 1552 von Regent Maximilian II. und seiner frisch angetrauten spanischen Gattin Maria, Tochter von Karl V.. Der Elefant war ein Hochzeitsgeschenk. Es war nicht das einzige Tier, welches beim Einzug dabei war. Es tummelten sich viele weitere wilde Tiere, wie beispielsweise Affen, Kamele und Papageien. Im Jahr 1607 wurden die damals vorhandenen Tiere in die neu angelegte Menagerie im „Neugebäude“ nach Simmering transferiert. In der städtischen Wohnhausanlage im „Stefan-Achatz-Hof“ (errichtet 1957-59) in der Kaiser Ebersdorferstraße 332, erinnert ein Mosaik aus dem Jahre 1957/1959 an den ersten Elefanten Wiens und den ersten Tiergarten in dieser Stadt. Das Mosaik trägt den offiziellen Namen „Bürgerpaar und Elefant“.

Über das Schicksal des indischen Elefantenbullen der 1553 etwa mit 15 Jahre, offensichtlich einer schlechten Haltung zufolge verstarb, konnte einiges in Erfahrung gebracht werden. Teile von Solimans Knochen wurden zu einem exotischen Stuhl gefertigt, welcher heute in der Wunderkammer in Stift Kremsmünster zu sehen ist. Der Leichnam des Dickhäuters wurde darüber hinaus regelrecht verarbeitet und wurde sensationslustig ausgestopft. Das kuriose Präparat gelangte um 1930 in das Münchener Nationalmuseum, wo es jedoch gegen Ende des Zweiten Weltkrieges in einem ausgelagerten feuchten Luftschutzkeller verschimmelt sein soll.

Wenn man heute das Bild des Elefanten an der Wohnhausanlage betrachtet, dann mag man die bildliche Komposition der Darstellung mit der Corona-Pandemie, die seit 2020 auch in Wien grassiert, assoziieren. In der ersten Phase galt es, um eine Ansteckung des Virus von einer Person zu einer anderen zu verhindert, den  „Abstand eines Babyelefanten“ einzuhalten. Der Künstler der Ende der 1950er Jahre das Mosaik mit den Elefanten schuf hatte freilich seinerzeit keine Ahnung über diese von der Bundesregierung propagierte skurrile Verordnung.

Wir ziehen weiter um weitere Mosaike zu finden und werden berichten.

 

Wir hoffen, dass euch unser Spaziergang, quer durch die Wiener Geschichte, gefällt. Darüber hinaus freuen wir uns euch mitteilen zu können, dass wir für dieses Jahr ein Buch planen, wo wir hunderte wunderbare Bildwerke vorstellen werden, die an Wiens Fassaden zu entdecken sind.

Text: Marcello La Speranza

Fotos: Lukas Arnold

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