Mosaike: Mehr als vergilbte Kunstwerke!

Wir haben Ihnen - liebe Leserschaft - bereits viele verlassene,

 

vergessene Orte in Wien vorgestellt, welche oftmals versteckt und im

 

Verborgenen liegen. Heute befassen wir uns mit einer Thematik, welche

 

vielen höchstwahrscheinlich eher unbekannt sein dürfte? Vorstellen

 

möchten wir Ihnen einige der vielen Mosaike, Sgraffito und Wandbilder,

 

welche so manche Fassade der Wiener Wohnbauten verzieren.

 

In den 1950er Jahren, insbesondere nach der Zeit des Zweiten Weltkrieges, galt es den Aufbauwillen und den daraus resultierenden Wohlstand bildlich festzuhalten. Die leeren Flächen der Fassaden an den Wohnhausanlagen boten Raum Szenen dieser „positiven“ Entwicklung zu zeigen. Interessanterweise wurden inhaltlich auch viele Verknüpfungen mit der „guten alten Vergangenheit“ (die aber in Wirklichkeit garnicht so rosig gewesen war) arrangiert. Ein nostalgischer Rückblick auf die Vergangenheit diente primär dazu, sich zu Vergegenwärtigen wie fortschrittlich man heute (in den 1950er Jahren) sei. Aus heutiger Sicht: Schnee von Gestern.

Heute können wir diese damals zurechtgerückten Schmuckelemente aus einer anderen Perspektive betrachten. Die alten Mosaike auf unseren Wohnhäusern sind inzwischen auch schon verblasste Zeugnisse einer Zeit, die auch längst passe ist.

 

 

Heutzutage werden keine verklärten, lieblichen, noch dazu doch zeitaufwendig ausgeführten Mosaike mehr fabriziert. Wir leben in einer enorm schnelllebigen Zeit. Da zahlt es sich nicht aus etwas bildlich dauerhaft festzuhalten, denn nächstes Jahr gibt es schon wieder andere gesellschaftliche oder politische Schwerpunkte? Dafür boomen heute die vielen schnell gemalten aufgesprühten Graffiti-Werke der Street-Art-Künstler, die auch eher internationale Sujets und Statements setzten.

Wir wollen uns auf die historischen Mosaike konzentrieren, die oft verschlissen auf vielen Wohnhauslagen unsere Stadt verblieben sind und uns nicht nur Geschichten von damals erzählen, sondern auch ein Teil des Stadtgedächtnis selbst geworden sind.

 

Dieser Ausflug führt Sie zwar nicht in unterirdische Gefilde und Regionen, sondern fächert Ihnen eine Welt auf, die Sie jederzeit vor Ihren Augen im Großstadtgetriebe Wiens „ersehen“ können. Werfen Sie mit uns einen Blick auf diese Motive, die auch eine Reise in die Vergangenheit versprechen. Die alten Kunstwerke im öffentlichen Raum mögen möglicherweise vielen Einwohner bekannt sein, aber mit dem Inhalt und dem historischen Kontext werden sich wohl nicht viele Passanten der jüngeren Generation befasst haben? Man braucht Zeit und Muse sich mit den Bildern eingehender zu beschäftigen. Einige „Highlights“ möchten wir vorstellen:

Die Ziegelfabriken und die fleißigen Arbeiter

Wir beginnen im 10. Bezirk und wandeln auf Spuren der dortigen Ziegelherstellung. Der Wienerberg in Favoriten zählt heute zu einem beliebten Naherholungsgebiet. Die groß angelegten Wiesenflächen, die vielen kleinen Spazierwege sowie der große Wienerbergteich laden zum Verweilen ein. Das Gebiet erstreckt sich über 23 Hektar, und beherbergte bis ins Jahr 1960 die „Wienerberger Ziegelfabrik“. Begonnen hat die Ziegelherstellung am Wienerberg schon unter der Regentschaft der Kaiserin Maria Theresia, welche die erste staatliche Ziegelei eröffnen ließ. Die Ziegel wurden hauptsächlich zur Verbesserung der Basteien der Wiener Stadtmauer und des späteren Linienwalls (heute Gürtel) benötigt. Aus diesen militärischen Belangen heraus bürgerte sich der Name „Fortifikations-Ziegelofen“ ein. Der Aufschwung erfolgte ab dem Jahr 1820 als Alois Miesbach (1791-1857) den Betrieb erwarb und ihn systematisch ausbaute. Unter seinem Neffen Heinrich Drasche (1811-1880) florierte das Unternehmen und entwickelte sich zu den größten Ziegelfabriken Europas; im Jahr 1862 produzierte die Ziegelei 130 Millionen Stück Ziegel.

In Wien lassen sich noch heute prominente Bauwerke besichtigen, welche mit den beständigen Wienerberger Ziegeln errichtet worden sind, so sind beispielsweise die Ringstraßenbauten, das Arsenal oder auch das Hauptzollamt nur einige berühmte Bauwerke, welche aus den Ziegeln vom Wienerberg erbaut worden sind.

 

Oftmals haben wir auch schon in alten Fabriken oder Abbruchhäuser die charakteristischen Ziegel mit der Kennzeichnung „H D“ und mit dem Doppeladler gefunden. Heute erinnert direkt am Wienerberg lediglich der Teich, welcher den Aushub der dort angrenzenden nicht mehr existierenden Ziegelfabrik füllt. Das Ausflugsareal wird heute lieblich „Böhmische Riviera“ genannt.

Im Umkreis, speziell in Favoriten, lassen sich einige Bildwerke entdecken, welche auch noch heute an die „Wienerberger Ziegelfabrik“ und an die Blütezeit der Ziegelarbeiter erinnern.

 

An der Wohnhausanlage Laxenburgerstraße 12 ist ein großes buntes Fassadenmosaik angebracht, welches hauptsächlich Frauen zeigt, die in einer Ziegelfabrik arbeiten. In einer Brennkammer werden die Ziegel gebrannt. Eine Arbeiterin trägt eine Kastenform, wo die fertigen Ziegel weitergereicht werden, am rechten Bildrand entsteht die Mauer.

Das große tonfarbene Bild über dem Torbogen der Wohnhausanlange Troststraße 68 - 70 zeigt Arbeiter die gerade auf einer Baustelle beschäftigt sind und eine Ziegelmauer aufstellen.

In der Trappelgasse 1 befindet sich ein großes Wandbild mit dem Titel „Ziegelerzeugung“ wo jedoch der gesamte Prozess der Verarbeitung von Ziegel verewigt ist. Hier sind kräftige Arbeiter in blauer Montur abgebildet. Transportwagen mit gestapelten Ziegellagen unterstreichen auch den enormen Arbeitswillen. Interessant ist im oberen Bildfeld ein Arbeiter im Kreise seiner Familie. Diese Darstellung kann die Situation symbolisieren, dass die Arbeit es erst ermöglicht eine Familie zu ernähren. Das spielende Kind mit dem Reifen deutet weiters darauf hin, dass mit dem Baufortschritt auch eine wohlhabende Zukunft gesichert wird.

Die meisten Wandbilder entstanden zu einer Zeit, als Wien nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges einen enormen Wiederaufbauwillen meistern musste; die Produktion von Baustoffen hatte Priorität. Darum verwundert es nicht, dass in den 1950er Jahren solche Sujets (arbeitende, schaffende Menschen) gefragt waren.

 

Übrigens der Begriff „Sandler“ leitet sich vom Berufstand der Ziegelarbeiter ab. Damit die Rohmasse des Ziegels nicht in der Ziegelform, im Kasten, haften bleibt, streuten die Arbeiter am Boden des Models Sand. So konnte nach getaner Arbeit der fertige Ziegel leichter entnommen werden. Die Sandler waren also die tausende hart schuftenden und unterbezahlten Arbeiter - Frauen, Männer und auch Kinder - die in diesen unwirtlichen Produktions-Arbeitsstätten eingesetzt waren. Im Ziegelmuseum von Penzing haben wir wertvolle und informative Hintergrundinformationen zu diesem trostlosen Berufsstand vom dortigen Kustos Dr. Gerhard Zsutty erhalten.

Was war das Scharlach-Rennen?

 

Unsere nächste Station führt uns zu den ehemaligen Pferderennen im dritten Bezirk (Erdberg). Haben Sie schon einmal vom traditionellen „Scharlachrennen“ gehört?

Am Sebastianplatz 5 befindet sich ein Natursteinmosaik, geschaffen in den 1950er Jahren, welches Reminiszenz an dieses sportliche Event schaffen will. Diese Veranstaltung erfreute im Mittelalter das Volk. Vorweggenommen, es hat nichts mit der Krankheit zu tun. Das „Scharlachrennen“ fand traditionell, zweimal im Jahr in Wien, im Rahmen des Wiener Jahrmarktes statt. Es wurde erstmal mit vollem Pompöse und Trara 1382 (zur Zeit Herzog Albrecht III.) abgehalten. Der spektakuläre Pferdewettkampf wurde nach einer wertvollen roten Tuchsorte „Scharlach“ benannt, welches der Reiter erhielt, der als erstes das Ziel erreichte. Die tatsächliche Rennstrecke ist nicht eindeutig geklärt. Jedenfalls von Sankt Marx ging es Richtung Wienfluß und zurück. Auf der bildlichen Darstellung auf der Wohnhausanlage sind auch die Reiter auf den schwarzen Pferden zu sehen; der Sieger hält den begehrten roten Stoff im Arm. Der zweite erhielt eine Armbrust, der dritte ein quickendes Ferkel (im Mosaik aber nicht zu sehen).

 

 

Nach dem Rennen gaben sich junge Burschen und Mädchen den Ansporn, ebenfalls zu Laufen, was auf einem hochformatigen, sehr bunten Bild auf der Fassade der Wohnhausanlage in der Mohsgasse 37 schön wiedergegeben ist. Beim Wettlauf fielen besonders die „Hübschlerinnen“ auf, jene mitlaufenden Mädchen, die hauptsächlich ihre weiblichen Reize zeigten (laut Beschreibung in einer älteren Bezirkschronik). Wir denken nicht, dass die enthusiastischen Läufer die lange gleiche Strecke liefen, wie die Pferde. Dieses Mosaik wirkt besonders lebendig und farbenfroh. Die Preisverleiherin mit ihrem mittelalterlichen Kostüm hält den langen scharlachroten Ballen bereit. Als die Osmanen 1529 mit ihren Reiterscharren erstmals gegen Wien zogen, haben etwa zu dieser Zeit die „Scharlachrennen“ in Wien ausgespielt. Die Lust war den Wienern aufgrund der Türkennot vergangen. Das letzte Scharlachrennen wurde 1534 abgehalten.

Steig ein ins Zeiserlwagerl

Wollen wir uns noch einem beliebten Motiv der vielfältigen Mosaiklandschaft zu wenden. Im Jahr 2021 hat man eine vielseitige Auswahl, um von „A“ nach „B“ zu gelangen. Die öffentlichen Verkehrsbetriebe sind bestens ausgebaut. Mit Bus, Bahn oder U-Bahn kann man relativ schnellstmöglich durch ganz Wien fahren. Aber wie reiste man beispielsweise zur Zeit unserer Urgroßeltern? Natürlich gab es Kutschen; diese waren jedoch teuer und somit nur der wohlhabenderen Gesellschaft vorbehalten. Es gab jedoch anno dazumal auch eine andere, kostengünstigere Möglichkeit, wenn man sich nicht zu Fuß auf den Weg machen wollte.

Das „Zeiserlwagerl“ war ein beliebtes Gefährt im alten Wien. Das nette Mosaik in der Amortgasse 1 / Ecke Linzerstraße (Wien 14.) berichtet. „Die Zeiserlwagen führten anno 1830 die Wiener von Penzing ins Grüne“. Das nostalgische angehauchte Bild, wo eine Partie fidel ins Grüne fährt, wurde im Jahre 1954 geschaffen.

Beim „Zeiserlwagerl“ handelt es sich um einen Stellwagen, welcher von zwei Pferden gezogen wurde und Platz für 10 bis 12 Personen bot. Dieses bäuerlich wirkende Gefährt verkehrte nur außerhalb des Linienwalls (heute Gürtel), also in den Vororten Wiens. Viele Wiener und Wienerinnen nutzen dieses günstige Fortbewegungsmittel auch, um an den Sonntagen vor den Toren Wiens das Vergnügen zu suchen. Auch weil am Land Speis und Trank deutlich günstiger als in der Stadt waren. Ebenso boten viele Gasthäuser verschiedenste musikalische Unterhaltungen mit kurzweiligen Darbietungen an.

 

Bevor wir unsere geneigte Leserschaft wieder in die Gegenwart entlassen, wollen wir darauf aufmerksam machen, dass wir unsere Entdeckungsreisen in die Welt der Mosaike schon bald fortsetzen werden.

 

Text: Marcello La Speranza

Fotos: Lukas Arnold